Haus der Religionen, Europaplatz, Bern
Erinnerung an die neue Heimat? Religiöse Musik bei Migrantengemeinschaften in der Schweiz
Die herausragende Bedeutung der Musik für die religiöse und kulturelle Identitätsbildung ist auch, und vielleicht sogar gerade im Zeitalter der Globalisierung kaum zu bestreiten. Der Musik, als integraler Bestandteil vieler religiöser Feste, Rituale und Rezitationen, kommt auch bei den in die Schweiz migrierten Gemeinschaften eine besondere Rolle zu, wie z.B. an der Musik der islamischen Sufi- Gemeinschaften, den gregorianischen Gesängen der christlich-orthodoxen Gemeinschaften, tibetischer Ritualmusik, Gospeln in afrikanischen Gemeinschaften usw. deutlich wird. So fand etwa am 26. April 2014 in Biel das 2. Afrikanische Chorfestival statt (Festival des Chorales africaines chrétiennes).
Zehn Chöre afrikanische Chöre, einer davon aus Afrika eingeflogen, musizierten einen Tag lang gemeinsam. Schon beim ersten Treffen 2012 mobilisierte die Veranstaltung Tausende Menschen. Sowohl die Musik als auch die Haltung gegenüber Kirchenmusik war eindeutig von Elementen aus der Ursprungsheimat der Teilnehmer geprägt, sie erfüllte also eine Funktion in deren Erinnerungskultur.
Andererseits zeigte die Teilnahme an dem Festival den Grad an erfolgreicher Integration in einer neuen Heimat unter ganz anderen Vorzeichen und Bedingungen: obwohl die Teilnehmer aus verschiedenen Ländern kamen, waren die Chöre stets einer Stadtkirche und nicht einem Ursprungsland zugeordnet. Die Musik spiegelt wieder, wie selbst unter Beibehaltung der ursprünglichen Konfessionalität Migrantengemeinschaften in den Aufnahmeländern die kirchenmusikalische Praxis unter völlig veränderten Bedingungen neu definieren müssen. Selbst Gruppen aus demselben Land oder aus derselben Religionszugehörigkeit zeigen sich als inhomogen. Diese Veranstaltung gibt uns Gelegenheit sie zu fragen, wie sie dabei die Musik aus der Heimat empfinden, ob und wie sie diese an die neue Situation anpassen, und was diese Arbeit an der Musik für sie bedeutet.
Partizipative sakrale Musik wie die kirchliche Chormusik ist eine bewährten Strategie, um Empathie und Zusammengehörigkeit in gesellschaftlichen und im religiösen Zusammenhang zu fördern. Sie spielt aber auch eine identitätsstiftende und damit abgrenzende Rolle. In der Ankunft in einem anderen Land, bei der die zentralen Momente der individuellen Identität wie Glaube und Gruppenzugehörigkeit, aber auch Existenz und Lebenswelt in Frage gestellt werden, scheint Musik ein „Ort“ zu sein, der als Scharnier zwischen dem Vergangenen und dem Neuen fungiert.
Daher möchten wir mit religiösen Experten, Religionswissenschaftlern, Theologen, Kirchenmusikern und Musikwissenschaftlern nach der Bedeutung der Musik in diesem Prozess fragen. Es gilt auch, die Erfahrungen, die bewussten oder unbewussten Strategien, die internen Spannungen, bei denen die Fähigkeit der Symbolisierung und von Musik zum Ausdruck gebracht wird zum Gegenstand zu machen und disziplinübergreifend zu diskutieren.
Serie: Migration
Ablauf der Veranstaltung
- Einführung ins Thema, Vorstellen der Anwesenden
- Bildung von Gruppen à 5 Personen: Erfahrungsaustausch: Herkunftskultur, Geschichte ihres Lebens in der alten und neuen Heimat
- Podiumsgespräch: Was bedeutet Musik für die migrierten Gemeinschaften für ihre Identität? Was gelingt gut, was weniger? Wie trägt je ihre Musik dazu bei, die Gemeinschaft zu bilden? Gibt es musikalische Traditionen, Stücke, etc., die sie in der alten Heimat gepflegt haben, jetzt aber nicht mehr? Welches sind die Erfahrungen der Musiker im Haus der Religionen? Welches sind ihre Wünsche, wie Musik umgesetzt oder eingebunden werden sollte? Wie gelingt die Verständigung über Traditionsgrenzen (inner- und interreligiös), und wie über Sprachgrenzen hinweg? Ist das Wichtigste die Emotion in der Musik, oder der Text, oder beides?
- Apéro